Geschichten aus dem Naturpark
Das grosse
In der Abenddämmerung machen sich Kurt Lechner und Alois Ortner auf die Pirsch. Doch statt mit Fernglas und Büchse sind die beiden mit UV-Lampen und Netzen bewaffnet. Denn das Ziel ihrer Jagd sind Schmetterlinge.
Der Kies knirscht unter den Reifen, als der Wagen am Ende des steilen Pfades hält. Heute ist Neumond, die Nacht wird so dunkel werden, dass man kaum die Hand vor Augen sieht. Ideale Bedingungen, um möglichst viele verschiedene Falter, Spinner und Schwärmer anzulocken. Routiniert lädt der Biologe Kurt Lechner das Equipment aus dem Kofferraum und baut die Lichtfalle auf: Mannshohe weiße Leinwände werden zu einer Art Segel gespannt, eine spezielle Glühbirne hängt direkt davor und ist weit und breit die einzige Lichtquelle – ein unwiderstehlicher Anziehungspunkt für alle Arten nachtaktiver Schmetterlinge. Und von denen gibt es hier, hoch oben in den Zillertaler Alpen, mehr als man vielleicht annehmen würde.
„Es heißt, der Flügelschlag eines Schmetterlings kann am anderen Ende der Welt einen Wirbelsturm auslösen“, schmunzelt der Biologe. „Aber für unsere Forschung haben Schmetterlinge eine viel konkretere Bedeutung: Sie sind ein idealer Anzeiger dafür, wie intakt die Natur in einem bestimmten Gebiet ist.“ Jede Schmetterlingsart, so erfahren wir, ist auf ganz bestimmte Pflanzen, Blüten, Pilze oder auch Tiere in ihrem Lebensraum angewiesen. Viele Schmetterlinge sind also ein natürlicher Indikator für ein intaktes Ökosystem und ein funktionierendes Zusammenspiel aller Lebewesen in unseren Bergen.
Das „Jagdrevier“ von Kurt Lechner und Alois Ortner liegt oberhalb von Brandberg, mitten im Hochgebirgs-Naturpark Zillertaler Alpen. Dieser erstreckt sich über eine Fläche von 422 Quadratkilometern, das sind rund 40 % des ganzen Zillertals, und reicht über alle Höhenstufen der Alpen – ein wahrer Garten Eden für seltene Tier- und Pflanzenarten.
Hier gibt es sie noch, die Bergmähder: abgelegene, oft extrem steile Wiesenflächen, die seit Jahrhunderten höchstens einmal im Jahr und nur mit der Sense gemäht werden.
Auf diesen „Mähwiesen“ blüht das pralle Leben. Tausende bunte Blumen und duftende Kräuter schaffen die Voraussetzungen für echte Biodiversitäts-Hotspots und beheimaten eine unglaubliche Vielzahl von sehr speziellen Tier- und Pflanzenarten – darunter auch sehr seltene Schmetterlinge.
Je weiter die Nacht voranschreitet, desto mehr Falter werden von dem Scheinwerferlicht angezogen. „Ein Brauner Bär!“, freut sich Alois Ortner. Mit seinen orange-roten Hinterflügeln und einer Spannweite von bis zu 6,5 cm eine besonders auffällige und spektakuläre Erscheinung. Mit seiner Färbung will der Schmetterling Fressfeinde warnen, so, als wolle er sagen: „Friss mich nicht, ich bin giftig!“ Untertags sitzt der Schmetterling regungslos an Bäumen und ist perfekt getarnt. Die bunten Flügelunterseiten sind nicht sichtbar, doch wenn sich ein Fressfeind nähert – zum Beispiel eine Meise – dann zeigt der Braune Bär dem Vogel blitzschnell seine roten Hinterflügel und die Meise fliegt erschreckt davon.
Die Biologen Kurt Lechner und Alois Ortner kennen die Tag- und Nachtfalter der Alpen wie kaum ein anderer. Ihre Leidenschaft für die flatternden Insekten fanden die beiden bereits während der Schulzeit, im Studium verstärkte sich diese Passion zu einer wahren Berufung. Drei Jahre lang erfassten die Forscher alle auf den alpinen Mähwiesen vorkommenden Tagfalterarten und konnten auf einer Fläche kleiner als ein Fußballfeld 69 verschiedene Tagfalter und Widderchen identifizieren, das sind 40 % aller in Tirol bekannten Arten. Seit 2024 sind nun die Nachtfalter an der Reihe.
Wie komplex und gleichzeitig faszinierend das Zusammenspiel und die Bindungen zwischen verschiedenen Arten sind, zeigt das Beispiel des Thymian-Ameisenbläulings. Das Weibchen des blauen Flatterers legt die Eier zwischen den Blüten des wilden Thymians ab, keine andere Pflanze kommt dafür infrage. Aus dem Ei schlüpft eine kleine Raupe, die sich zu Boden fallen lässt und auf ihr Taxi – eine Ameise – wartet.
Die Raupe imitiert die Duftstoffe der Ameise, weshalb diese den vermeintlichen Artgenossen in ihr Nest bringt, wo sich die Raupe von den Ameisen umsorgen und füttern lässt. Noch immer chemisch getarnt, verpuppt sich die Raupe
schließlich im Ameisenbau. Kritisch wird es für den Bläuling erst, wenn er aus seiner Puppe schlüpft und die Duft-Tarnung auffliegt. Der frische Schmetterling muss fliehen, bevor die Ameisen ihn als Eindringling entlarven und attackieren
können. Dieses Zusammenspiel von speziellen Arten bildet unser fein ausgewogenes Ökosystem. Veränderungen in diesen Systemen können daher als Umwelt-Indikatoren interpretiert werden. Wenn der Bestand einer Art zu- oder abnimmt, signalisiert dies eine Verschiebung im Gleichgewicht.
„Ohne Insekten wäre das Leben auf der Erde, so wie wir es kennen, überhaupt nicht möglich“, erklärt Naturpark-Chef Willi Seifert. „Von den rund 1,8 Millionen verschiedenen Lebewesen auf unserem Planeten sind rund die Hälfte Insekten.“ Viele der von der Natur kostenlos erbrachten Leistungen – wie die Bestäubung oder die Bodenbildung, der Zugang zu Wasser und Nahrung, die Reinigung der Luft oder der Schutz vor Erosionen – wären ohne Insekten undenkbar.
Durch die Pflege der Bergwiesen leisten die Bauern des Zillertals also nicht nur einen wertvollen Beitrag für die heimische Natur, sondern vielmehr für die gesamte Gesellschaft. Die Bergmähder sind – und bleiben – eine Quelle des Lebens.
Bild: Phillip Geisler und Text: Daniel Schwarz, Nicole Ortner
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