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Geschichten aus dem Bergsommer

Abenteuer auf der Alm

Höhenflug ins Glück

Das Almparadies am Fuß der Gerlossteinwand macht seinem Namen alle Ehre. Wo das Zillertal Ausflugsglück und Adrenalinkicks garantiert.


Wenn ich groß bin“, verkündet Samuel mit strahlenden Augen, „mach ich genau das! Oder ich werde Tierarzt.“ Was den Zehnjährigen als Alternative zu Tierarzt so begeistert, wäre eine Mitarbeit bei den Bergbahnen der Zillertal Arena. Sein großes Vorbild ist Seilbahnmitarbeiter Hans, der heute auch als Guide für den Almflieger und seine Gäste verantwortlich ist. Letztes Jahr war Samuel noch zu leicht für den Almflieger, umso mehr freut er sich, dass er mittlerweile die 40-Kilo-Marke übertroffen hat – die ist nämlich für das große Seilflitzen Vorschrift.



Der Almflieger ist eine Weiterentwicklung des bekannten Flying Fox und umfasst vier Strecken, die nacheinander geflogen werden. Bis zu 50 km/h schnell schweben Abenteuerlustige über das Almparadies am Fuße der Gerlossteinwand. Eineinhalb Stunden ist jede Gruppe gemeinsam mit dem Almfliegerteam unterwegs, viermal am Tag finden die Touren statt. Die Nachfrage ist klarerweise groß, weshalb eine telefonische Voranmeldung sinnvoll ist.

Flugzeuge im Bauch

„So, jetzt ziehen wir das G’schirr an“, sagt Hans und legt Samuel und dessen Mama Christa Gurte an, um sie mit Karabinern am Seil zu sichern. „Wartet unten jemand?“, fragt Christa, bei der in der Magengegend auch geflogen wird – Flugzeuge im Bauch. „Ein bissl ein mulmiges Gefühl hab ich schon.“ Hans beruhigt sie: „Es kann nix passieren. Der Teamguide Flo startet zuerst und ist da, wenn ihr kommts.“ Samuel ist inzwischen vollständig mit Gurten und Helm ausgestattet und bereit für seinen Flug. Gleich neben der Bergstation der Gerlossteinbahn, die von Hainzenberg aus startet, klettert der Bub entschlossen die Stufen zu einer Plattform hinauf. Furchtlos, versteht sich. „Jetzt sichern wir dich“, sagt Hans, „danach stößt du dich ein bisserl ab, und los geht’s.“ Samuel zögert nicht lange, springt motiviert nach vorn und fällt sanft ins Seil. Über ihm surrt es, und sofort ist er voll in Fahrt. Zuerst geradeaus, dann dreht er sich ein wenig, tariert seine Position mit den Händen aus – wie ein Profi. Am Ende schaut er wieder nach vorne, direkt dem lachenden Flo ins Gesicht und ruft: „Soooo cool – bitte, ich will gleich weiter zur nächsten Line!“ Aber jetzt ist erst einmal Mama Christa dran. Die erste Line, wie die Strecke im Fachjargon heißt, ist mit 169 Metern Länge die kürzeste und dient quasi zum Aufwärmen. Danach geht die Gruppe zu Fuß über einen beschaulichen Waldweg hinunter zu einem Sessellift, der sie auf 1.836 Meter emporbefördert. Es ist ein warmer Sommertag, die Sonne scheint, und der Berg zeigt sich von seiner schönsten Seite.


Das Besondere am Almflieger Gerlosstein ist, dass er nicht nur Spaß macht, sondern auch so abwechslungsreich ist. Zu Line 2 geht es nach der Liftfahrt ein Stück über eine Almwiese, vorbei an einer Hütte. Dann führt eine kleine Erhebung hinauf in den Wald zur nächsten Startrampe. Für Samuel zählt vor allem, schnell wieder am Seil zu hängen. Und von Jubelschreien begleitet, geht es über 208 Meter direkt zum Start von Line 3, die als absoluter Höhepunkt gilt. Die Strecke ist 735 Meter lang. Was bedeutet, dass Samuel und der Rest der Gruppe eineinhalb Minuten in der Luft sind und am höchsten Punkt 64 Meter über dem Boden – was für ein Erlebnis! Da hilft es, schwindelfrei zu sein, um die Augen für die imposante 2.166 Meter hohe Gerlossteinwand geöffnet zu halten, die auf der rechten Seite wirkt wie ein Wächter über das Zillertal. Mittlerweile sind alle so geübt, dass sie den einzigartigen Blick, der sonst den Adlern vorbehalten ist, in vollen Zügen genießen können. „Es ist einfach nur toll“, schreit Samuel. Das Adrenalin ist ihm an den gut durchbluteten Backen anzusehen. Und selbst seine Mama hat leicht gerötete Wangen und strahlt mit der Sonne um die Wette. Gut, dass die letzte Fahrt zurück zur Bergstation noch kommt. „Und morgen fliegen wir wieder“, ruft Samuel, als er sich ins Seil schwingt. Bei der letzten Fahrt liegt den Teilnehmern das gesamte Almparadies Gerlosstein zu Füßen. Das Bergererlebnis für Groß und Klein hat seinen Namen echt verdient. Zumal es gleich nach der Almflieger-Tour vorbei an der Sonnenterrasse, wo Hungrige Torten nach Omas Rezept und Zillertaler Schmankerln genießen, und weiter zum Almspielplatz geht. Wo Samuels Schwester Martha und Papa Klaus schon warten. Dort wird dann geklettert, gerutscht und am Wasserrad gedreht. Aber so ein Urlaubstag ist lang. Und ginge es nach den Kindern, dürfte er an einem Ort wie diesem nie zu Ende gehen. Immerhin warten auch noch die Tiere. Der Streichelzoo mit Ziegen, Hasen, Enten und Ponys ist ein Highlight für die Familie. Wo sonst sagen sich Hahn und Henne am Ende eines spannenden Tages in einem Holzhäuschen gute Nacht?



Ehe es so weit ist, nützen Samuel, Martha und ihre Eltern aber die Zeit noch für eine kleine Wanderung. Ein idealer Ausklang, um das Naturerlebnis abzurunden. Über die Almpromenade spazieren sie Richtung Almtribüne. Etwa eine Stunde lang dauert’s, um den Themenweg zu absolvieren, die Pausen bei den Schaukästen eingerechnet. Dort wird die Geschichte des Zillertals ansehnlich präsentiert, danach kennt jedes Kind die Hexe vom Gerlosstein, das Steinschaf und die Zillertaler Doggln. Und am Ende wartet die Aussichtsplattform – der Blick ins Land bringt die Kinder auch nach so vielen Abenteuern noch einmal ins Staunen. Am coolsten war für Samuel aber trotzdem der Almflieger – eh klar. Daher erzählt er noch einmal strahlend von seinem letzten Flug, als er kopfüber den Berg runtergedüst ist. Dabei hat er übrigens auch den Traktorspielplatz erspäht … und rasch einen neuen Plan gefasst: „Einen Traktor will ich auch haben, wenn ich einmal groß bin.“ Was beweist: Wer fliegt, kommt ins Träumen.

Bild: Johannes Sautner / Shoot & Style und Text: Barbara Reiter
Zillertal Magazin Ausgabe Sommer 2022

 

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