Geschichten abseits der Pisten

Winterwandern

Schrittweise in die Vergangenheit

Romantische Gemütlichkeit und ein Hauch Historie: Eingebettet in die prachtvolle Zillertaler Bergkulisse, spaziert man auf dem Winterwanderweg „Zeitreise“ in Mayrhofen am Penken durch die Geschichte des alpinen Skisports.

Der Schnee knirscht unter ihren Schuhen. Die Sonne kitzelt im Gesicht. Es ist einer dieser Tage im Zillertal, an denen die Luft so klar ist, dass die umliegenden Gebirgsketten scharf wie Scherenschnitte in den Himmel zu ragen scheinen. Für Karin und Gerhard der ideale Tag, um eine romantische Winterwanderung zu unternehmen. Bequem geht es von der Talstation in Mayrhofen bergauf mit der Penkenbahn. Dann wandern sie auf glitzernden Schneehängen Schritt für Schritt in die Vergangenheit. Denn dieser Rundweg ist ein besonderer: Unter dem Titel „Zeitreise“ macht er die Anfänge des Skisports erlebbar.

An einer der zehn Stationen entdecken die beiden historische Ski in einem modernen Schaukasten. An einer anderen dokumentieren Schwarzweißfotografien die geschichtlichen Anfänge und geben interessante Einblicke in die Geschichte des Skisports im Zillertal. Während das Paar schrittweise „ins Jahr 1954“ schlendert, erwachen in Uli Spieß, einem waschechten Zillertaler, kindliche Erinnerungen zu neuem Leben. Denn die Mutter des späteren Skirennläufers gründete im Winter des Jahres 1954, ein Jahr vor Ulis Geburt, gemeinsam mit ihrem Mann Ernst die erste Skischule in Mayrhofen. „In der ersten Saison hatten wir 18 Skischüler“, erzählt er. Heute sorgen 25 Skischulen mit 500 Skilehrern, die in 17 Sprachen unterrichten, für jede Menge Pistenspaß im Zillertal.

„Hier werden die schönen Winterwanderwege
genauso gut präpariert wie die Pisten. So wird
Wandern zum Genuss!“

Karin, begeisterte Urlauberin

Bretter, die die Welt bedeuten

Natürlich stand Uli Spieß schon mit zwei Jahren auf den Brettern, die für ihn bis heute die Welt bedeuten, und bei Mama erlernte er den damals schicken Stemmschwung. Allerdings sahen seine Ski freilich ganz anders aus, als sie es heute tun: „Sie bestanden aus Eschen- oder Hickory-Holz, die Kanten waren noch simple Eisenschienen, die wir mit eigenen Schrauben daran festmachen mussten. Und die Schuhe wurden mit der sogenannten Strammerbindung am Ski fixiert“, erinnert sich der heute 63-Jährige.

Diese Art der Bindung bestand aus einer ledernen Schlaufe, die den Fuß vorn fixiert hatte. An der Ferse sorgte eine Art Kabelzug mit einem Spanner – oder eben Strammer genannt – für den nötigen Halt. Damit ging es allerdings schon damals schön wedelnd Richtung Tal. Und dank dieser Erfindung immer öfter auch für britische Gäste: Frau Spieß hatte private Kontakte nach England und diese Freunde regelmäßig zum Skifahren eingeladen. Die Engländer hatten jedoch keine Ski! „Also kamen meine Eltern auf die Idee, den ersten Skiverleih zu gründen“, erzählt der Sohn heute. Ein Konzept, das längst fester Bestandteil der internationalen Skiwelt ist.

Modernste Möglichkeiten. Zurück im Hier und Jetzt: Kaum hörbar gleitet die Penkenbahn über Karins und Gerhards Köpfe hinweg. Sie gilt seit ihrer Modernisierung im Jahr 2015 als eines der innovativsten Seilbahnkonzepte der Welt und kann 2.880 Personen pro Stunde auf den Penken bringen. Die Bahn ist also auf dem letzten Stand, die Skipisten perfekt präpariert, und natürlich werden auch die Wanderwege nicht mit bloßen Schneeschaufeln bearbeitet wie anno dazumal. Vielmehr sind es Pistengeräte, mit denen der Schnee so verdichtet wird, dass die 400 Kilometer Winterwanderwege des Zillertals stets bequem begehbar sind. Wer dennoch müde wird, der findet überall wunderbar romantische Hütten. So wie jetzt Karin und Gerhard. Sie nehmen gerade auf der Panoramaterrasse Platz, um die prachtvolle Aussicht und die Tiroler Schmankerln zu genießen. Genau das, was man nach einer Zeitreise eben braucht.

Bild: Julia Rotter und Text: Johannes Stühlinger
Zillertal Magazin Ausgabe Winter 2019/20

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